„Die Apokalypse klopft an“

Humor trotzt Endzeitstimmung – „Frittenbude“ mit neuem Album

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Seit 2006 sind „Frittenbude“ mit ihrem illustren Sound-Amalgam aus 80s Synthpop, Techno und Electropunk unterwegs und haben sich mit ihren bisherigen fünf Alben und fulminanten Liveshows eine beachtliche Fangemeinde erspielt. Im März erscheint der neue Longplayer „Apokalypse Wow“, den Frontmann Johannes Rögner und Multiinstrumentalist Jakob Häglsperger im Rahmen ihrer kommenden Tour u. a. auch im Frankfurter „Zoom“ live vorstellen. FRIZZmag traf Johannes vorab zum Gespräch. 

FRIZZmag: Seit dem Release eures letzten Albums „Rote Sonne“ sind ganze vier Jahre vergangen. Vier Jahre, in denen die Pandemie „Frittenbude“ – wie so vielen anderen Bands – ziemlich zugesetzt hatte. Mitten in der Produktion eures neuen Albums „Apokalypse Wow“ ist dann noch euer langjähriger Gitarrist Martin Steer ausgestiegen. Wie blickst du, vor diesem Hintergrund, auf die neuen Songs?

Johannes Rögner: Im Rückblick fühlt es sich wie das schwerste Album an, an dem wir bisher gearbeitet haben. Gefühlt brach alles um uns herum auseinander, dann kam der Ausstieg von Martin und die Produktion hat auch sehr, sehr lange gedauert. Mittlerweile stellt sich aber ein ganz großes Glücksgefühl bei Jakob und mir ein. Wir sind sehr froh, dass das Album endlich draußen ist. Und wir sind megahappy damit! Es ist eine richtig schöne Platte geworden, sehr vielfältig mit ganz unterschiedlichen Songs und ohne roten Faden. Das war sehr befreiend.

Im Song „neue Welt“ singt ihr: „Gib mir eine neue Welt, hab die alte Welt kaputt gemacht“. Wie schwer war es, von eurem ebenfalls besungenen „running system“ loszulassen?

Das war zunächst nicht einfach. Martin war ja in den Produktionsprozess eine ganze Zeit eingebunden und ist auf etwa der Hälfte der Songs noch dabei. Für uns war klar, dass wir die Stücke auch nach seinem Ausstieg beibehalten und nicht noch mal von vorne anfangen. Das hätte sich auch merkwürdig angefühlt. Im Endeffekt hatten wir aber bald unsere Linie gefunden. „Sandradome“ und „Stoli“ waren die ersten Lieder, die wir ohne Martin geschrieben haben, und diese wurden auch direkt unsere ersten beiden Singles. Auf der dritten Single „Vorbei“ ist Martin aber beispielsweise zu hören und seine Gitarre auch sehr präsent. Auch wenn es in dem Song nicht um uns als Band geht, spiegelt er doch ganz gut, was uns drei bewegt hat. Man ist ja über viele Jahre nicht nur Band gewesen, sondern hatte auch eine Beziehung zueinander. 

Unser erstes Interview mit euch datiert aus dem Jahre 2012, kurz nachdem euer Album „Delfinarium“ veröffentlicht wurde. Schon damals war der immer stärker zutage tretende Rechtsruck in der Gesellschaft ein Thema eurer Songs. Eine Dekade später scheint sich die Thematik noch verschlimmert zu haben. Euer Video zur Single „Sandradome“ bestätigt diesen Eindruck – da geht’s um den Vormarsch der „AfD“, Reichsbürger und Opportunisten wie Ben Becker, der sich beim Konzert der „Böhsen Onkelz“ feiern lässt. Wo siehst du Deutschland und die Welt im Jahre 2023?

Man könnte sagen: Die Apokalypse klopft an. Wir haben den Albumtitel nicht von ungefähr gewählt. Und ja – der Rechtsruck schreitet weiter fort. Was sicher auch daran liegt, dass die „AfD“ und die Entwicklung in den sozialen Medien das ganze Thema salonfähiger gemacht haben. Durch die ganzen Kommentarspalten dringt diese Welt verstärkt in den Alltag aller und wird dadurch zum Glück immer mehr zum Thema. Früher hatten die Menschen auch keinerlei Schnittpunkte oder haben höchstens mal einen Bericht über eine Rechtsdemo gesehen, aber über Social Media hast du diese Leute nun permanent in deinem Wohnzimmer und bist gezwungen, hinzusehen. Keiner kann das Problem mehr verleugnen.

Mittlerweile treten immer mehr Bands auf den Plan und zeigen klar Flagge gegen rechte Gewalt, ganz vorne mit dabei: eure früheren „Audiolith“-Labelkollegen „Feine Sahne Fischfilet“. Was sagst du zu dieser Entwicklung?

Das finde ich auf jeden Fall gut! Wir haben früher oft angeprangert, dass viele größere Bands ihre Reichweite nicht eingesetzt und sich viel mehr vor politischen Stellungnahmen und Positionierungen gedrückt haben. Das hat sich geändert und man muss es vor allem den jungen Bands hoch anrechnen, dass sich hier viel geändert hat. Denn für die ist es eine Selbstverständlichkeit, sich auch politisch zu äußern.  

In eurer Presseinfo zur neuen Platte steht: „Frittenbude, das ist so eine Band, die einem beim Kotzen die Haare hält.“ Drastisch formuliert, aber sehr passend, wie ich finde. Denn trotz der mitunter sehr düsteren Aussichten haben eure Texte meist einen Wendepunkt, der signalisiert: „Du bist nicht allein“. Ich denke da an die Zeile: „Einen Stoli auf die Solidarität! Bieten Paroli und Schnaps am Blumenbeet!“ Siehst du das ähnlich?

Auf jeden Fall. Ich finde auch, dass „Apokalypse Wow“ ein positives Album ist. Wesentlich positiver als unsere beiden vorherigen Alben zumindest. Wir wären aber nicht „Frittenbude“, wenn wir Missstände nicht anprangern würden, sowohl die der anderen als auch unsere eigenen. Wir nehmen uns selbst da ja nicht raus. Natürlich wollen wir immer Teil der Lösung sein, sind aber auch sicher nicht selten Teil des Problems. 

Ernste Themen in ein leichtes, lockeres Gewand zu packen – wie schafft ihr das? Wie behaltet ihr euch euren Humor?

Indem wir einfach immer noch gerne und viel lachen. Lachen befreit und ist toll (lacht). Man sollte sich das innere Kind immer bewahren und darf das Lachen auf keinen Fall verlernen. Wenn man Menschen, Freunde um sich hat, mit denen man lachen kann – das ist einfach was Tolles!

Du stammst aus Bayern und bist im beschaulichen Geisenhausen, ganz in der Nähe von Landshut, aufgewachsen. Seit gut zehn Jahren leben Jakob und du in Berlin. Wie sehr hat sich dieser Umzug in die Großstadt auf deine Texte ausgewirkt? Ich habe gelesen, dass du in Berlin nach wie vor eher die Ruhe in Parks suchst, um dich inspirieren zu lassen. 

Dadurch, dass ich in Niederbayern aufgewachsen bin, habe ich auf jeden Fall den Drang, oft in die Natur zu gehen, das stimmt. Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, war das letzte Haus im Ort. Danach kamen nur noch Felder und dann der Wald. Das brauche ich einfach, weil das zu mir gehört. Unsere ersten beiden Alben habe ich noch in Bayern, genauer in München, geschrieben. „Delfinarium“ war dann „zwischen den Türen“, also vor dem Umzug nach Berlin. „Rote Sonne“ habe ich auf einer langen Reise geschrieben, als ich etwa einen Monat in Laos unterwegs war, und „Küken des Orion“ ist quasi mein „Berlin-Album“, weil ich zu dieser Zeit nur in Berlin war. Und das neue Album jetzt ist irgendwie überall entstanden und sehr viele Texte habe ich sogar auf dem Smartphone geschrieben, wenn ich auf dem Weg ins Studio war. Um aber auf die Frage zurückzukommen: Rückblickend glaube ich nicht, dass sich der Schritt, nach Berlin zu gehen, umfassend auf unsere Texte oder unsere Musik ausgewirkt hat. 

Musikalisch zieht sich auf „Apokalypse Wow“ eine große Liebe für den Sound der 80er-Jahre wie ein roter Faden durch nahezu sämtliche Songs. Erinnerungen an „The Cure“, „Bauhaus“ und diverse NDW- und New-Romantic-Elektrobands werden wach. Woher kommt diese Leidenschaft für oldschoolige Sounds? Vom Alter her seid ihr ja eher in den 90er-Jahren musikalisch sozialisiert worden.

Die stammt wohl von diesen „Elektroclash“-Bands aus den Nullerjahren, „DJ Hell“ und sein Label „Gigolo Records“ waren da die Keimzelle und wir waren von diesen Bands sehr angetan. Und auch „Soulwax“ aus Belgien ist eine Gruppe, die wir gerne gehört haben und die uns beeinflusst hat. Die 80er sind einfach eine Zeit, in der extrem viele Hits geschrieben wurden. Ein Jahrzehnt, das uns nach wie vor sehr inspiriert. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich als kleines Kind „Big in Japan“ zum ersten Mal gehört habe. Das war echt bewegend, und ich wusste damals irgendwie, dass das ein Riesenhit ist.

In „Stoli“ gibt es diese Zeile „Auch jeder Wankelmut hat einen Mittelpunkt“. Das klingt so ein bisschen nach „Altersmilde“. Auf der kommenden Tour darf man aber schon noch mit legendären „Frittenbude-Abriss-Abenden“ rechnen, oder?

Klar – bei unseren Konzerten lassen wir den inneren Teenager raus. Es wird auf jeden Fall wieder etwas technoider, und wir spielen, bis keiner mehr kann (lacht). Wir sind momentan für die Tour am Proben und das wird ein üppiges Set mit sämtlichen Hits unserer Alben. Das werden auf jeden Fall die besten „Frittenbude“-Konzerte, die wir je gespielt haben!

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Infos unter: 

FRITTENBUDE WEBSEITE | FRITTENBUDE FACEBOOK-SEITE


FRIZZmag präsentiert: Frittenbude live!

Sa., 25.3., 20 Uhr, Zoom, Frankfurt

FRIZZmag verlost 3x2 Tickets!


Und so geht’s:

Einfach eine E-Mail mit dem Stichwort ,,Frittenbude" an verlosung(at)frizzmag.de schicken (Telefon und Name nicht vergessen). Wir melden uns dann via E-Mail bei euch.

Einsendeschluss ist am 20.3.!
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