„Wir wollten nicht die Musik der Stunde machen“

Concrete Jungle - Darmstadts Reggaeband No. 1 - feiert Jubiläum

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Bereits seit 1991 begeistert die Darmstädter Formation „Concrete Jungle“ Musikfans in Südhessen (und weit darüber hinaus) mit ihrem „Urban Roots Reggae“-Sound. Im Dezember feiert der groovige Achter sein dreißigjähriges Bandjubiläum mit einem fulminanten Konzertabend in der „Centralstation“. FRIZZ – Das Magazin sprach mit Marco De Padova (Gitarre & Gesang) und Gunnar Wentrup (Schlagzeug & Gesang) über ihren „Bandvibe“, das alte Darmstadt und ekstatische Konzerte bei Stromausfall. 

FRIZZmag: Dreißig Jahre sind seit der Gründung von „Concrete Jungle“ vergangen. Darmstadt 1991: Das „Schlossgrabenfest“ ist noch in weiter Ferne, die „Centralstation“ liegt als „Heag Halle“ im Dornröschenschlaf. Die Clubs der Stunde heißen „Eledil“, „Kaffeekesselhaus“ und, schon damals, „Goldene Krone“. Welche Erinnerungen habt ihr an diese Zeit?


Marco De Padova: Wir waren noch Schüler damals, sehr jung und viel unterwegs. Livemusik war in den genannten Clubs oder auf Schul- und Unifesten jeden Abend zu erleben. Als junger Musiker war es einfach, schnell viele Gleichgesinnte kennenzulernen und sich ein Netzwerk aufzubauen. Es war jede Menge los, eine spannende Zeit.  


Gunnar Wentrup: Es gab jede Menge Austausch, das stimmt. Ich denke da an das „Open Air am Steinbrücker Teich“, wo alle regionalen Bands unterwegs waren. Und wir als „Reggae-Promoter“ natürlich auch dabei. Wir waren nach unserem Auftritt dort noch ordentlich aufgeladen und haben dann einfach noch mal im „Eledil“ vorbeigeschaut und gefragt, ob wir dort noch weiterspielen dürfen. Also haben wir unsere Anlage aufgebaut und für eine Kiste Bier noch einen kleinen Anschluss-Gig gespielt.  


1991 eroberte Gitarrenmusik die Welt – vor allem unter dem Label „Grunge“ und mit Bands wie „Nirvana“ und „Pearl Jam“. Was hat euch bewogen, damals recht untrendy, eine Reggaeband zu gründen?


Gunnar: Gute Frage. „Nirvana“ waren damals auf den ganzen Schulfeten auf jeden Fall die Band der Stunde, das stimmt. Aber Reggae hat mich einfach schon viel früher berührt, als ich noch gar nicht wusste, was das genau ist. „My Boy Lollipop“ von Millie Small oder „Tide is high“ von „Blondie“, das waren alles so Off-Beat-Nummern und dieser Groove hat mich schon als kleiner Junge fasziniert. In den Neunzigern bekam ich dann erste Live-Tapes mit „Eek-A-Mouse“ oder „Yellowman“ in die Finger und war völlig gebannt von dieser Musik. Und es war recht klar, dass für uns als Band auch nur Reggae infrage kommt. Wir wollten nicht die Musik der Stunde machen, sondern die Musik machen, die uns berührt.


Marco: Ein weiterer wichtiger Punkt: „Concrete Jungle“ ist aus Freunden entstanden, die ein ähnlicher Vibe verbunden hat und die gemeinsam Musik machen wollten. Da gab’s keine Anzeigen à la „Gitarrist gesucht“. Der Freundeskreis und die Band, das war ein fließender Übergang, verbunden durch diesen Vibe. Und der hält uns auch bis heute zusammen.   


Die Darmstädter Musikszene war damals überaus vielfältig und aktiv. Heutzutage scheint die hiesige Bandszene ziemlich überschaubar. Woran liegt das eurer Meinung nach?


Marco: Was die Größe der Szene angeht, teile ich deinen Eindruck. Die Szene scheint in den letzten Jahren etwas kleiner geworden zu sein. Allerdings bin ich mir hier auch nicht ganz sicher, weil es auch möglich ist, dass ich einfach nicht mehr alles so mitbekomme. Trotzdem sind bei den Gruppen, die ich mitbekomme, viele tolle neue Bands dabei. Da kommt auf jeden Fall etwas nach. Aber mit dieser schon erwähnten Vielfalt und den vielen Liveshows 1991 kann man das nicht vergleichen. Vielleicht hat sich auch einfach das Publikum verändert und Konzerte von jungen Bands finden heute nicht mehr so viele Besucher:innen wie damals.


Gunnar: Beim Hip-Hop sieht das allerdings anders aus. Da gibt es wesentlich mehr „Cyphers“ (Freestyle-Battle von Rappern, Anm. d. Red.) und Konzerte und auch die Szene ist wesentlich größer. Und vor allem deutschsprachiger Hip-Hop ist in diesen dreißig Jahren enorm groß geworden. Das gilt aber eher für das Gesamtdeutschland und nicht unbedingt nur für Darmstadt.    


Mittlerweile sind nahezu alle lokalen Größen von damals Geschichte. Was hat euch so lange am Leben gehalten?


Marco: Unsere Freundschaft, die man nach dreißig gemeinsamen Jahren als Band „familiär“ nennen kann. Und dieser eingangs schon erwähnte gemeinsame Vibe, den spüren wir nach wie vor beim Jammen im Proberaum und auf der Bühne. Das ist ein ganz starkes Band. Und das ist, solange wir weiter Spaß an der Musik haben, zeitlos. 


Gunnar: Natürlich hat man sich auch mal mit Anfang zwanzig ausgemalt, wie’s wäre, wenn die Band so richtig abgeht und man eventuell Berufsmusiker wird. Wir waren aber auch immer Realisten und haben uns auch mit der Frage auseinandergesetzt, was werden soll, wenn es nicht abgeht. Wenn man Familie haben möchte und dauernd auf Tour sein muss, um die Miete zu verdienen. Uns war früh klar, dass wir mit der Band nicht reich werden und es wahrscheinlich auch gar nicht für den Lebensunterhalt von uns allen reichen würde. Als das mal klar war, hat das ziemlich Druck von uns genommen. Und durch unsere anderen Standbeine konnten wir auch Dürreperioden mit der Band immer gut durchstehen.  


„Concrete Jungle“ waren 1991 als Reggaeband recht alleine auf weiter Flur. Über die Jahre haben Reggae und Dancehall immer größeren Einzug bei deutschen Bands und Musiker:innen gehalten, ich denke da an „Gentleman“, „Jan Delay“, „Seeed“, „Irie Révoltés“ und viele andere. Auch in der Festivallandschaft spielt Reggae mittlerweile eine wichtige Rolle. Was sagt ihr zu dieser Entwicklung? 


Marco: Das ist natürlich sehr erfreulich. Auch, weil das die Vielfalt unserer musikalischen Landschaft noch mal sehr bereichert. 


Gunnar: Es ist allerdings traurig, dass einige unserer alten jamaikanischen Heroen, mit denen ja alles angefangen hat, diese Entwicklung nicht mehr miterleben konnten. Da sind ja nicht wenige mittlerweile von uns gegangen. Aber deren Riddims und Vibes werden durch verschiedene Adaptionen und Neuaufnahmen weiter durch die Zeit getragen und das ist sehr schön. 


Die Nachfrage nach Live-Konzerten ist in den vergangenen Jahren enorm stark angestiegen. Warum sind „Concrete Jungle“ nur so selten live zu erleben? An Angeboten dürfte eigentlich kein Mangel bestehen, oder?


Marco: Sagen wir mal so: Wir haben sicher nicht wirklich ausgeschöpft, was machbar wäre. Das liegt zum einen an unseren Jobs, zum anderen an den jeweiligen familiären Konstellationen. Vor allem aber besteht einfach kein kommerzieller Druck. Wir müssen nicht spielen und wollen das auch nicht, wenn das bei uns nicht reinpasst und nicht alle Zeit und Lust darauf haben. Aber es wäre schon schön, wenn wir in der Zukunft wieder mehr auf der Bühne stehen würden, als das zuletzt der Fall war.   


Ihr feiert in diesem Jahr euer dreißigjähriges Bestehen. So ein Jubiläum lädt natürlich auch zur Rückschau ein – ihr habt als Band sehr viel erlebt, wart viel unterwegs und habt auf großen Festivals wie dem „Chiemsee Reggae Summer“, „Bongo Bongo Sunsplash“ oder auch beim allerersten „Schlossgrabenfest“ als Headliner  gespielt. Was ist euch hiervon am meisten in Erinnerung geblieben?


Gunnar: Ich erinnere mich sehr gerne an einen ganz kleinen Gig, den wir mal in der Provinz gespielt haben. Wir kamen da mittags an und da saßen ein paar Herrschaften bei Kaffee und Blechkuchen und wir dachten: „Mm, das ist ja eher nicht so unsere Zielgruppe.“ Dann haben wir aufgebaut und losgelegt und die Kaffeerunde ist dann polonäsemäßig durch den Garten getanzt und richtig abgegangen. Das wurde ein langer Abend voller Zugaben und lustiger Thekenbekanntschaften. Und grandios waren natürlich auch unsere Auftritte beim „Chiemsee Reggae Summer“ und anderen Festivals, wo wir auf der gleichen Bühne mit Helden wie „Burning Spear“ und anderen spielen durften.


Marco: Man sieht daran, dass wir uns in dreißig Jahren Bandgeschichte für nichts zu schade waren: Von den großen Reggae-Festivals bis zur Hinterhof-Dorfparty haben wir konzerttechnisch alles mitgekommen (lacht). Ich erinnere mich gerne an ein Konzert in Österreich vor einem großen Publikum, bei dem irgendwann der Strom weg war. Und zwar nicht nur bei uns auf der Bühne, sondern komplett im ganzen Ort. Wie man das so als Musiker macht, haben wir natürlich straight weitergespielt – volle zwanzig Minuten rein unplugged mit Drums, Percussion und den Bläsern. Die Leute haben das mega getickt, dass wir nicht aufgehört haben, und als dann endlich wieder der Strom da war und die Boxen angingen, sind die Leute richtig ausgeflippt. Das war die pure Freude! Und sehr gerne erinnere mich auch an unsere interkulturellen Exkursionen, zum Beispiel in unsere Partnerstädte nach Plock in Polen oder damals gemeinsam mit euch nach Brescia in die Lombardei (der Redakteur und seine damalige Band „Common Spring“ durften einige gemeinsame Auftritte mit „Concrete Jungle“ bestreiten, so auch im Sommer 2002 auf dem schönen „Castello di Brescia“).

    

Pünktlich zum dreißigjährigen Jubiläum meldet ihr euch am 15.12. in eurer Heimatstadt live in der „Centralstation“ zurück. Was können die Darmstädter:innen an diesem Abend erwarten? Alte Musikkolleg:innen, viel Nostalgie?


Marco: Wir haben unseren langjährigen Weggefährten „DJ General Motors“ eingeladen, der bereits vor Jahrzehnten Darmstadt auf Riddims gebracht hat und dafür gesorgt hat, dass Reggae auch hier mehr und mehr Fans gefunden hat. Er wird vor und nach unserem Auftritt auflegen und unser Set wird natürlich Songs aus all unseren Schaffensphasen beinhalten. Lasst euch überraschen!  


Weitere Live-Termine und Pläne nach eurem Konzert im Dezember sind bis dato noch nicht bekannt. Wie wird’s nach der Jubiläumssause weitergehen? Euer letztes Album „Roots United“ liegt sechzehn Jahre zurück. Sind neue Songs in Planung?


Marco: Nicht nur in Planung, sondern wir haben schon eine ziemliche Menge neuer Songs bereits aufgenommen. Da sind wir aktuell am Mischen. Einen konkreten Veröffentlichungstermin kann ich noch nicht nennen, aber da wird auf jeden Fall in absehbarer Zeit etwas Neues kommen.  


Vielen Dank für das Gespräch.


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FRIZZmag präsentiert: „Concrete Jungle“ live!

Do., 15.12., 20 Uhr, Centralstation, Darmstadt

FRIZZmag verlost 3x2 Tickets!


Und so geht’s:

Einfach eine E-Mail mit dem Stichwort ,,Concrete Jungle" an verlosung(at)frizzmag.de schicken (Telefon und Name nicht vergessen). Wir melden uns dann via E-Mail bei euch.

Einsendeschluss ist am 10.12.!
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