„Du musst eine Vision von deiner Musik haben“

Mit neuem Album im Gepäck lädt Tom Wax zum „B-Day Bash“

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Mit Tracks wie „Cosmic Evolution“, „Freedom Of Expression“ oder „Tales Of Mystery“ katapultierte sich Tom Wax Anfang der 90er-Jahre in die Herzen der Elektrofans und gilt seither als wichtiger Vertreter des Genres hierzulande. Mit dem Projekt „AWeX“ und dem Hit „It’s Our Future“ gelang Wax schließlich Mitte der 90er auch international der Durchbruch. Am 24. September feiert Wax, der als Thomas Wedel 1972 in Jugenheim geboren wurde, seinen 50. Geburtstag mit einem rauschenden „B-Day Bash“ in der „Centralstation“.


FRIZZmag: Seit über dreißig Jahren bist du überaus erfolgreich als Musikproduzent tätig und hast mit zahlreichen Kolleg*innen wie Terry Lee Brown Jr., Dr. Motte, Marusha oder Talla 2XLC zusammengearbeitet. Zudem bist du als DJ sehr erfolgreich und legst seit vielen Jahren in den Clubs dieser Welt auf. Gibt es einen Moment aus diesen drei Jahrzehnten, der dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist, und wenn ja, warum?


Tom Wax: Puh, das ist eine schwere Frage. Das waren so viele Erlebnisse an so vielen Orten. Da die eine besondere Erinnerung hervorzuheben, ist nicht leicht. Ich könnte dir eher von einigen Momenten erzählen, wo ich seinerzeit gedacht habe: „Hilfe, wo bin ich denn hier gelandet?!“ So etwas merkt man sich eher (lacht). Ich habe einen Traum gelebt, den ich nie geträumt habe, würde ich sagen. Ich bin direkt nach der Schule ins Musikgeschäft eingestiegen und es lief von Anfang an.   


Du hast die Anfänge der Techno-Szene hautnah miterlebt. Anfang der 90er-Jahre hast du als Resident DJ in der legendären Disco „Dorian Gray“ am Frankfurter Flughafen aufgelegt, wie erinnerst du dich an diese Zeiten?


Damals war ich einer der Jüngsten, heute fühle ich mich wie einer der Ältesten. Die Zeit damals war einfach etwas ganz Besonderes. Der Sound war neu, alles entwickelte sich gerade erst, der Spirit war unglaublich gut. Die Musik gab’s nur im Club, du musstest also dorthin, um sie zu hören. Das war ein sehr großer Unterschied zu heute. Und du warst als DJ in einem der wichtigsten Läden weltweit und durftest dort Musik machen. Das war ein unglaubliches Erlebnis. Eine Zeit, die Musikgeschichte geworden ist.


Wie sehr hat sich euer Geschäft seither verändert? Die Digitalisierung hatte ja Auswirkungen in allen Bereichen, von der Albumproduktion über den Vertrieb bis zum DJing.


Auf jeden Fall. Ich bin auch froh, dass ich heute nur noch USB-Sticks mit in den Club nehmen kann und keine zwei Plattenkisten mit mir rumschleppen muss. In den Neunzigern war das Musikbusiness noch ein Eldorado. Du hast sehr viel Geld für deine Produktionen bekommen und auch DJ-Gigs waren immens gut bezahlt. Seither hat sich viel verändert: von Vinyl über die CD zu MP3 und Streaming heute. Die Labels schauen nur noch auf „Spotify“. Es geht eigentlich um nichts anderes mehr. Es gibt heute auch viel mehr Festivals und viele in einer gigantischen Größe. Mit Feuerwerk, Konfetti und allem drum und dran. Alles ist wesentlich professioneller geworden. Da haben einige Veranstalter sehr große Brands erschaffen und die werden auch noch viele Jahre bestehen, denke ich, weil unsere Musik Bestand hat und bleiben wird. 


Und wie sieht es im kreativen Prozess aus? Auch hier hat die Digitalisierung vieles günstiger und sehr viel einfacher gemacht. Aber sie bietet auch unendliche Möglichkeiten. Im Rockbereich produzieren viele Bands daher mittlerweile wieder analog, um sich bewusst zu limitieren und das Songwriting wieder stärker in den Fokus zu nehmen, statt sich „tot zu produzieren“.


Das ist in der elektronischen Musik nicht anders. Die Möglichkeiten sind unendlich und man muss bei der Produktion immer mal den Punkt finden, wo man die Kurve kriegen muss und sagt: „Jetzt langt’s“. Die digitalen Möglichkeiten haben für viele Leute den Zugang zur Musikproduktion enorm vereinfacht, was aber die Produktionen nicht unbedingt besser gemacht hat. Am Anfang muss immer eine gute Idee stehen. Das galt schon immer. Und die kann dir eine Software oder ein Plug-in nicht wirklich liefern. Du musst eine Vision von deiner Musik haben. 


Das Rhein-Main-Gebiet war von Anbeginn an Hotspot und Impulsgeber der elektronischen Musikszene. Auch aus Darmstadt stammen einige sehr bekannte Protagonisten der Szene, wie Ricardo Villalobos, Jörn Elling Wuttke und Roman Flügel („Alter Ego“, „Sensorama“) und, natürlich, du. Wie ist es heutzutage um den „Elektro-Standort Darmstadt“ bestellt, deiner Ansicht nach?


Interessante Frage. In den vergangenen zwei Jahren war es ja sehr ruhig. In der von dir angesprochenen Größenordnung sehe ich hier regional niemanden, der da aktuell mitspielt. Ich bin da aber nicht voll im Bilde. Da gibt es einige, die sehr umtriebig sind, aber nicht wirklich über die Grenzen der Stadt hinauskommen. Allerdings braucht das auch seine Zeit. Gerade nach dieser langen Pause. Zudem wird Darmstadt selbst immer gerne mal nach Frankfurt „eingemeindet“. Viele zucken beim Wort „Darmstadt“ mit den Achseln und sobald du „bei Frankfurt“ sagst, klickt es. Das war schon immer das Schicksal der Darmstädter DJs (lacht). 


Seit 1995 betreibst du dein eigenes Plattenlabel „Phuture Wax“ mit angehängtem Musikverlag und Booking-Agentur. Fokussierst du dich hier primär auf deine eigenen Produktionen oder versuchst du auch, jungen Talenten mit „Phuture Wax“ eine Plattform zu bieten?


Ja, auf jeden Fall! Ich habe einige junge Acts, die ich da feature. „Tabis & Dawn“ oder „Dima Riva“ aus Österreich. Aber das Hauptaugenmerk liegt schon auf meinen Produktionen und alle meine Alben erscheinen immer auf „Phuture Wax“. Da möchte ich die volle Kontrolle haben. Aber ich freue mich über Demos von jungen Künstler*innen und wenn mich da etwas richtig anspricht, habe ich auch auf jeden Fall Interesse, das zu supporten. 


Zwei Jahre Pandemie haben sich massiv auf den Kultur- und Veranstaltungsbereich ausgewirkt. Wie bist du durch diese Zeit gekommen? Als DJ war eher wenig bis gar nichts zu tun. 


Stimmt, dafür war ich sehr viel am Produzieren. Ich hatte ja schon vor der Pandemie einen ordentlichen Output, aber so viel wie in den vergangenen Jahren habe ich wohl noch nie aufgenommen. Das waren superviele Koops mit anderen Künstlern, sehr viele Remixe. Dieses Jahr hatte ich bisher alle zwei Wochen eine neue Veröffentlichung am Start und das geht auch noch so weiter bis ins kommende Jahr. Aber was sollte ich auch anderes machen? In den vergangenen zwei Jahren hatte ich vielleicht zehn DJ-Gigs.   


Du hast bereits ein weiteres Album am Start. Es trägt den treffenden Titel „Generation 72“ und wird pünktlich zu deinem 50. Geburtstag im September erscheinen. Das Album beginnt mit diversen Samples bekannter Songs der vergangenen Jahrzehnte, beispielsweise „Paint in Black“ von den „Rolling Stones“, „Whole Lotta Love“ von „Led Zeppelin“, „Mama Mia“ von „Abba“, „Leuchtturm“ von Nena, „Lullaby“ von „The Cure“. Sind das alles Songs, die dich geprägt haben?


Klar, das ist genau die Idee hinter dem Track. Ich habe mich mal eine Nacht lang hingesetzt und überlegt, was ich in diesen Album-Opener einbauen kann, um den Leuten näherzubringen, was mich musikalisch beeinflusst hat und wo auch sie sich, zumindest die „Generation 72“, wiederfinden. Und bei mir ist das ein ziemlich breites musikalisches Spektrum. Wer mir übrigens alle 21 Titel nennen kann, die ich in dem Intro verbaut habe, bekommt von mir eine CD geschenkt (lacht).  


„Depeche Mode“ kommen sogar mit zwei Songs vor, „Never let me down again“ und „People are People“. Was bedeutet dir die Band?


Ganz groß! Über „Depeche Mode“ geht nix! Zumindest bis Anfang der Neunziger. Mittlerweile gibt es natürlich auch noch andere Bands, die ich großartig finde. Aber „Depeche Mode“, das ist einfach echte Kunst, das sind die größten Songs, die es im Elektropop-Bereich gibt. 


Das Release von „Generation 72“ wird traditionell zu deinem „B-Day Bash“, den du regelmäßig gemeinsam mit Kolleg*innen in der „Centralstation“ zelebrierst, veröffentlicht. Dieses Jahr werden dich Kai Tracid und DJane Dima Riva aus Österreich an den Decks unterstützen. Wie groß ist die Vorfreude, endlich wieder ein solches Event feiern zu dürfen?


Ich bin schon mal megahappy, dass mein Fünfzigster erst dieses Jahr ist und ich den nicht in der Pandemie feiern musste. Ich habe einige Freunde, die ihren Fünfzigsten deshalb überhaupt nicht gefeiert haben. Deswegen macht es mich nicht nur sehr froh, den „B-Day Bash“ wieder veranstalten zu können, sondern auch meine ganzen Freunde einladen zu dürfen. Wir werden da eine Riesenparty feiern! 


Deine große Leidenschaft neben der Musik ist der Sport, besonders das Tennis. Seit 10 Jahren bist du Kapitän der Herren-40-Mannschaft der TG Crumstadt, die auch in der Hessenliga spielt. Wäre Tennis für dich eine Karriereoption gewesen?


Ich habe seit meinem 12. Lebensjahr meine Jugend auf dem Tennisplatz verbracht. So bis 18 habe ich wirklich jeden Tag auf dem Platz gestanden, Boris Becker war damals mein großes Vorbild. Tennis wäre schon eine echte Option für mich gewesen. Dann kam die Musik. Aber vor einigen Jahren hatte mich Tennis noch mal gepackt und ich hatte mir zum Ziel gesetzt, zumindest bei den Vierzigern unter die Top 100 zu kommen. Ich hatte da meine Tennis-Midlife-Crisis und habe es dann auch tatsächlich bis auf Platz 56 in Deutschland geschafft. Musik und Tennis, das bleiben meine großen Leidenschaften.


Vielen Dank für das Gespräch.


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