„Ausruhen ist nicht“

Batschkapp-Chef Ralf Scheffler über 40 bewegte Jahre im Frankfurter Kulturleben

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© Benjamin Metz

Als eine Handvoll junger Frankfurter Spontis Ende 1976 auf die Idee kam, in einer kleinen Halle im Frankfurter Stadtteil Eschersheim ein Kulturzentrum zu eröffnen, hätte wohl kaum jemand geglaubt, dass sich hieraus im Laufe der Jahre ein Live-Dorado der alternativen Musik entwickeln würde, in dem mittlerweile tausende Konzerte über die Bühne gegangen sind und das weit über die Grenzen seiner Heimatstadt bekannt und beliebt ist. FRIZZ-Redakteur Benjamin Metz traf Mitgründer und Club-Chef Ralf Scheffler zum Interview und sprach mit ihm über seinen legendären Rockschuppen, die Batschkapp.

FRIZZ: 40 Jahre Batschkapp. Von Anfang an mit dabei: Ralf Scheffler. Wenn Du so rückblickend an die ersten Jahre zurückdenkst, hättest Du je gedacht, dass der Club solange existieren und diese Entwicklung nehmen würde?

Ralf Scheffler: (Winkt ab) Das war gar keine Frage. Man hat sich überhaupt nichts gedacht. Wir hatten ganz andere Dinge im Kopf. Wir glaubten damals, dass da eine politische Bewegung weitergeht, was dann nicht der Fall war. Zumindest nicht so, wie gedacht. Aber da gab es keinen Plan, einen Rockclub zu machen oder Veranstalter zu werden. Eigentlich habe ich mir die ganzen ersten 20 Jahre nie Gedanken darüber gemacht, wie es weitergeht. Wenn es mal Krisen gab, hat man halt geschaut, dass es irgendwie weitergeht.

FRIZZ: Die Batschkapp wurde 1976 ursprünglich gegründet, um eine „autonome und linke Gegenkultur“ zu etablieren. Gäste waren damals u.a. der spätere Außenminister Joschka Fischer, der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit und viele andere Köpfe der damaligen linken Frankfurter Sponti-Szene (Spontis waren von den 1970er- bis in die 1980er-Jahre hinein Gruppen linksgerichteter politischer Aktivisten, die sich in der Nachfolge der außerparlamentarischen Opposition (APO) und der 68er-Bewegung sahen, Anm. d. Verf.). Was war das für eine Zeit damals in Frankfurt?

Ralf Scheffler: In den Jahren vor 1976 haben die Frankfurter Spontis so eine Kampagnenpolitik betrieben. Da gab’s Kampagnen gegen Fahrpreiserhöhungen, Kampagnen gegen den Abriss von Wohnhäusern, und alle möglichen anderen Themen. Da spielte dann später auch das Schicksal der RAF-Leute und die zu Ende gehende Franco-Diktatur in Spanien eine Rolle. Auf jeden Fall wurden die Aktionen mit der Zeit militanter und einigen von uns wurde klar, dass das im Falle weiterer Eskalation irgendwann in einer Katastrophe endet. Spätestens bei der Ulrike Meinhof-Demo im Mai 76, bei der ein Polizist von einem Molotow Cocktail getroffen und schwer verletzt wurde, stand das alles am Scheideweg. Ich wurde mit 13 anderen Leuten unter dem Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und des „versuchten Mordes“ eine Woche später verhaftet. Die Vorstellung, für Jahre hinter Gitter zu wandern, war überhaupt nicht mehr lustig. Zum Glück ist es nicht so gekommen, aber die ganze Situation hat natürlich zum Nachdenken angeregt. Das war dann die Geburtsstunde der Alternativbewegung und einige Zeit später der grünen Partei, in der die ganze Energie in den Aufbau von Alternativbetrieben gesteckt wurde und die Batschkapp war einer davon. Das war die Fortführung politischer Ideen mit anderen Mitteln, sozusagen.

FRIZZ: In den ersten Jahren nach der Gründung wurden in der Batschkapp neben Konzerten auch Theateraufführungen und Workshops veranstaltet. Wie entwickelte sich die Batschkapp zu der Rock-Club-Ikone, die sie heute ist?

Ralf Scheffler: Da haben zwei Faktoren eine wesentliche Rolle gespielt: Zum einen gab es bei uns einige Leute, die ziemlich am Puls der Zeit waren und für ein entsprechend interessantes Programm gesorgt haben, zum anderen stand die Batschkapp immer wieder auch mal vor der Schließung, was die Medien regelmäßig auf den Plan rief, die größtenteils auf unserer Seite standen. Es gab also immer irgendwelchen öffentlichen Wirbel, was geholfen hat, für Aufmerksamkeit zu sorgen und den Ruf der Batschkapp zu zementieren. Und wir haben auch thematisch immer gut die Kurve gekriegt. Nach den ersten Jahren mit vielen Liedermachern und Theaterleuten war es mal kurze Zeit ruhiger, dann kamen Ende der 70er Punkrock und New Wave und die Batschkapp war wieder obenauf. Wir haben uns einfach immer bemüht, am Ball zu bleiben. Es war sicher auch von Vorteil, dass in Frankfurt immer nur Platz für einen Rockclub war und wir nicht diesen Wettbewerb hatten wie in anderen Großstädten.

FRIZZ: Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat das Who is Who der internationalen Rockszene in der Batschkapp gespielt. Wie kam es eigentlich dazu? Hattet Ihr einfach nur ein glückliches Händchen beim Booking oder partizipierte der Club einfach von positiver Mund zu Mund Propaganda bei Künstlern und Agenturen?

Ralf Scheffler: Die setze erst relativ spät ein. In den ersten Jahren hatten wir eine zeitlang echt Probleme außerhalb der Punkrock-Szene Bands hierher zu bekommen. Es hieß immer: „Das ist so’n Punkrock-Schuppen. Voll chaotisch, da geht’s drunter und drüber!“ Da mussten wir echte Überzeugungsarbeit bei den Agenturen leisten, damit die uns ihre Künstler anvertraut haben. Aber als das Vertrauen irgendwann hergestellt war, lief alles sehr gut. Zudem waren damals auch noch große Labels wie CBS/Sony hier in Frankfurt beheimatet, was die Stadt sicher auch mehr in den Fokus rückte. Aber das alles war schon ein hartes Stück Arbeit und wir brauchten einen langen Atem, bis wir den Status erreichen konnten, den wir heute inne haben.

FRIZZ: Die Batschkapp gilt vielen Besuchern und Künstlern mittlerweile als legendär, ähnlich wie der Hamburger Star Club oder das Whiskey A Go Go in Los Angeles. Wie erklärst Du Dir diesen Status?

Ralf Scheffler: Letzten Endes liegt das an dem Team, das hier zusammenarbeitet. Das muss man klar sagen. Natürlich sind da im Laufe der Jahre auch Leute gegangen und neue Mitarbeiter nachgerückt, aber das war auch gut, weil so immer wieder frische Ideen und andere Blickwinkel hinzugekommen sind. Und das ist enorm wichtig, denn man darf sich nicht zurücklehnen. Ausruhen ist nicht. Wenn’s mal eine längere Zeit gut funktioniert, läuft man nämlich Gefahr, sich zu locker zu machen. An diesem Punkt sind wir zwei-, dreimal vorbeigeschrammt. Das hätte in die Hose gehen können. Und zu guter Letzt ist es einfach die Liebe zur Sache, die es braucht, um so einen Club lange erfolgreich zu machen. Man muss diesen Job einfach gerne machen und dranbleiben. Selbst so ein alter Sack wie ich hat sich ein Ohr für Neues bewahrt.

FRIZZ: Nirvana, Pearl Jam, R.E.M, die Toten Hosen - die Liste berühmter Künstler, die bei Euch bereits zu Gast waren, scheint endlos. Welches Konzert ist der persönlich am stärksten in Erinnerung geblieben?

Ralf Scheffler: Kann ich echt nicht sagen. Es gibt nur ganz wenige Sachen, die hängengeblieben sind. Das zieht wie ein Film an einem vorbei. Man vergisst einfach unheimlich viel. Ein paar Momente sind noch da, allerdings sind das interessanterweise keine Konzerterinnerungen. An Nirvana erinnere ich mich, weil uns bei deren Konzert zum ersten Mal gefälschte Eintrittskarten untergekommen sind. Die hatte irgend so ein Typ in Heimarbeit mit einem Farbkopierer hergestellt. Der ist natürlich an Manfred Meyer (2009 verstorbener legendärer Security-Chef der Batschkapp, Anm. Verf.) und seiner Truppe gescheitert (lacht). So was ist mir im Gedächtnis geblieben. Oder ich erinnere mich, dass ich beim Pearl Jam Konzert beinahe deren Sänger Eddie Vedder aus dem Backstage geschmissen hätte, weil mir dort viel zu viel Gewusel war und ich dann zu einem der Langhaarigen meinte, was er denn hier zu suchen hat. Dankenswerterweise konnte mich Manfred noch rechtzeitig auf meinen Faux pas hinweisen.

FRIZZ: Vor zwei Jahren folgte schließlich der Umzug der Batschkapp aus den alten Räumlichkeiten in Eschersheim an den neuen Standort in der Gwinnerstraße. Ein Unterfangen, das nicht nur auf Begeisterung gestoßen ist. Was machte den Umzug überhaupt notwendig? Und: hat sich der Unmut inzwischen gelegt?

Ralf Scheffler: Der Umzug war bei Strafe des Untergangs nötig, um es mal ganz drastisch zu sagen. Mir war damals einfach klar, dass wir uns ohne einen Umzug nicht gegen die Konkurrenz würden halten können. Damals eröffnete hier in Frankfurt ja auch noch das Gibson, das nicht größer war, aber neu und in der Innenstadt. Das war die eine Seite. Zum anderen wurde die Batschkapp immer maroder. Man hätte da irgendwann im großen Stil zu Sanierung schreiten müssen. Das hätte einen Haufen Geld gekostet, das sich mit ziemlicher Sicherheit nicht amortisiert hätte. Und ich hatte immer im Hinterkopf, dass die Ämter uns im Rahmen einer Sanierung diverse Auflagen eventuell reindrücken würden. Zudem wurde es immer schwieriger, den Anspruch der Produktionen in der alten Halle gerecht zu werden. Patina hin oder her, das hat einfach keinen Spaß mehr gemacht. Natürlich kam dann aus Teilen des Publikums auch Kritik. Allerdings waren primär Leute, die in den 80ern in der Batschkapp musikalisch sozialisiert wurden und heute nur noch sehr selten hier anzutreffen sind. Ich hatte aber eben unser heutiges Publikum im Blick und das legt eben auch Wert auf eine angenehme Umgebung, guten Sound, saubere Toiletten und eine Garderobe. Von daher habe ich diese ganzen Unkenrufe relativ gelassen hingenommen. Mittlerweile stelle ich sogar fest, dass wir gerade beim älteren Publikum jetzt Kreise erreichen, die mit großer Sicherheit nicht in die alte Batschkapp gegangen wären, weil’s ihnen da einfach zu eng und zu stinkig gewesen wäre.

FRIZZ: Mittlerweile scheinen sich auch Euer Team und die Künstler am neuen Standort gut eingelebt zu haben - wie hat sich die neue Batschkapp in den vergangenen zwei Jahren entwickelt?

Ralf Scheffler: Die Künstler waren von Anfang an absolut begeistert. Sie können bequem parken und haben in der neuen Halle und vor allem im Backstage jede Menge Platz. Beim Team gab’s hier und da schon eine gewisse Eingewöhnungsphase. Manchen Leuten war das hier zunächst alles viel zu groß. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Inzwischen ist es aber so, dass alle ganz glücklich mit der neuen Situation sind.

FRIZZ: 40 erfolgreiche Jahre habt ihr hinter Euch und viele weitere sicher noch viele vor Euch. Wo siehst Du die Batschkapp beim 50. Jubiläum?

Ralf Scheffler: Das sollte ich noch erleben, denke ich (lacht). Klar, es kann alles Mögliche passieren. Sind ja bewegte Zeiten im Moment, und ich denke, die werden noch bewegter. Schwer zu sagen, wie sich das auf das Konzert- und Showgeschäft auswirken wird. Aber ich denke, wir sind jetzt für die Zukunft ganz gut aufgestellt.  

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Batschkapp Frankfurt

Gwinnerstraße 5, 60388 Frankfurt am Main View Map

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