© Klaus Mai
Jule Weber
FRIZZ: Wie entstand dein Interesse an Literatur?
Jule Weber: Ich habe mich schon früh für Literatur interessiert. Schon als Kind habe ich sehr schnell gelesen, sodass ich die Kinderbücher immer gleich durch hatte. Dann habe ich mir heimlich Bücher meiner Eltern aus dem Regal genommen, darunter viele Klassiker wie Max Frisch, Hermann Hesse. Schon sehr früh habe ich zum Beispiel die „Verwandlung“ von Kafka gelesen – damals war das für mich eher ein Fantasy-Roman. Selbst geschrieben habe ich mit 12 oder 13 Jahren.
Welche Rolle spielten deine Eltern?
Meine Eltern sind noch sehr jung und wirklich cool (schmunzelt). Sie sind zwar keine großen Literaten, aber es gab immer viele Bücher bei uns zu Hause. Es hat sich ziemlich früh abgezeichnet, dass ich mal von der Kunst – dem freien Schreiben – leben möchte. Das haben sie nie in Frage gestellt und sie waren immer Fans von dem, was ich geschrieben habe. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar...
Wie kamst du zum Poetry Slam?
Den Poetry Slam habe ich mich 15 Jahren entdeckt. Meine Eltern haben mich 2009 zu einem Ferien-Workshop über Poetry Slam mit Alex Dreppec und Lars Ruppel angemeldet. Die Abschlussveranstaltung in der Centralstation gewann ich, danach ging es immer weiter. Autoren waren für mich vorher unerreichbar, meist viel älter. Jetzt konnte ich sie live auf der Bühne sehen, sie waren plötzlich greifbar und ich hatte Vorbilder wie Nora Gomringer, die ja dann 2015 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt. Mein zweiter Auftritt 2009 war bereits bei den Hessischen u20 Landesmeisterschaften im Poetry Slam, wo ich zweite wurde. 2012 in Gießen wurde ich dann Hessenmeisterin im Bereich U20 und kurz darauf gewann ich auch die deutschsprachigen U20 Meisterschaften in Mannheim/Heidelberg.
Du bist früh von zu Hause ausgezogen und hast bereits kurz nach dem 17. Geburtstag eine Tochter bekommen, die heute sechs Jahre alt ist. Prägt das dein Schreiben?
Das hat sicherlich meine Texte beeinflusst – die Art, sie vorzutragen und der Inhalt sind anders als bei den jungen Kolleg*innen. Ich bekomme oft die Rückmeldung, dass meine Beiträge sehr reflektiert sind und eine enorme Tiefe haben. Ich stehe im Leben da, wo sich manch andere mit Mitte 30 befinden und mache mir ganz andere Gedanken, habe auch eine andere Verantwortung.
Woher bekommst du deine Ideen?
Es sind Themen, die mich im Alltag beschäftigen. Man kann nur über Themen schreiben, die man kennt, begreifen kann und selbst erlebt hat. Oft arbeite ich auch mit „Figuren“, die ich gut kenne, mein „Lyrisches Ich“, ist mir häufig sehr nahe. Meine Texte passieren im Kopf. Ich bringe sie sehr schnell aufs Papier, aber bis sie wirklich gereift sind, kann es von 2-3 Wochen bis zu einem halben Jahr dauern.
Wie reagiert das Publikum auf deine tiefsinnigen Texte?
Meine Texte reißen das Publikum nicht mit, indem Sinne, dass es große Lacher oder viel Zwischenapplaus gibt. Ich bin auf der Bühne ruhig und sammle die Aufmerksamkeit meiner Zuhörer. Wenn mir alle zuhören, dann habe ich den Raum. Mir liegt viel daran, dass die Leute in Ruhe nachdenken, das ist mir wichtiger als eine kurzfristige Begeisterung.
Warum ist Poetry Slam ein so beliebtes Format?
Poetry Slam ist ein sehr kurzweiliges, lebendiges Format. Wenn einem ein Slammer nicht gefällt, dann ist der Beitrag nach maximal fünf Minuten vorbei. Es sind keine „Wasserglaslesungen“, sondern es gibt einen direkten Dialog mit dem Publikum, das am Ende ja auch entscheidet, wer ihm am besten gefallen hat. Beim Slam ist es egal, woher du kommst, wer du bist, was du machst, was deine Interessen sind. Jeder kann kommen, der etwas geschrieben hat.
Was machst du heute außer Schreiben?
Vom Slam kann man nicht leben, da man außer den Fahrtkosten nichts bekommt. Aber das ist auch gut so, denn das Format lebt ja davon, dass jeder auftreten kann und es keine Preisgelder gibt. Ich habe einen Nebenjob, mit dem ich ein festes Einkommen habe und übernehme Auftragsarbeiten für Institutionen, Firmen, gebe Schreib-Workshops über kreatives Schreiben, zum Beispiel an Schulen oder leite den Student Slam an der Hochschule Darmstadt. Außerdem moderiere ich den Poetry Slam in der Goldenen Krone zusammen mit Finn Holitzka – das ist für mich eine Herzensangelegenheit.
Hast du einen Traum?
Ich würde sehr gerne mal einen Roman schreiben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Infos:
8. Juni, 18 Uhr, Student Slam, Foyer h_da Campus Mathildenhöhe, Olbrichweg 10, Darmstadt