Also, Achim hats ja dann ein bisschen gerettet, sonst wärs ja überhaupt kein Sommer gewesen, na ja, aber dass die Hochs Männernamen haben, passt meiner Mutter gar nicht. Wieso, Achim passt doch gut zu Hugo, sag ich. Aber meine Mutter mag Hugo nicht wg. dem Holunderblütensirup, sie steht mehr auf herb. Reg dich ab, sagt mein Vater, nächstes Jahr da sind die Tiefs männlich. Irgendwie will meine Mutter gerade auch nix von Männertiefs wissen, keine Ahnung, was schief gelaufen ist, vielleicht hab ich mich ja mit dem Spanier auch getäuscht, obwohl ... Jedenfalls wars ihr dann an der Grube fast schon wieder zu heiß und zu voll. Und als zwischenzeitlich auch mein Vater mal mitwollte, hat sie komplett die Krise gekriegt. Ich will auch irgendwo mal familienfrei sein können, sagt meine Mutter. Textilfrei, sagt mein Vater, reicht dir wohl nicht mehr.
Bei mir ist sowieso Stadion angesagt, sag ich schnell, um sie beruhigen. Bei meinem Vater auch, aber weil wieder Fußball ist. Lilien und OFC, eigentlich ja ein No-Go, nur, bei meinem Vater muss man das verstehen. Er hatte eine schwere Kindheit, sagt meine Mutter, und spielt auf seinen Geburtsort an. Immerhin, sagt mein Vater, haben sie in Offenbach ein neues Stadion hingekriegt, das seh ich für Darmstadt noch lange nicht. Aber der Partsch ist Fußballfan, sag ich. Vielleicht sein einziger Fehler, sagt meine Mutter. Jetzt geht das schon wieder los, denk ich, und wechsle lieber das Thema. Obwohl, sein Auftritt bei der Anti-Nazidemo war schon megagut. Überhaupt, da warn wir uns familiär total einig und sind hin, hat ja auch keiner gefehlt, den man so kennt. Das war, Originalton mein Vater, eine Sternstunde der Darmstädter Bürgerschaft.
Habt ihr schon fürs Mühlchen unterschrieben, frag ich. Seit wann interessierst du dich fürs Mühlchen, sagt mein Vater. Moment mal, sag ich, als ich klein war, war ich da ganz gern. Und jetzt ist es uncool, sagt meine Mutter. Genau, sag ich, trotzdem, man kann sich ja auch mal uneigennützig für das Gemeinwohl einsetzen. Genau, sagt mein Vater, und sich gegen das grün-schwarze Streichkonzert wehren. Moment, sag ich, daran ist ja nicht alles Quatsch. In die Arheilger Stadtbücherei bist du als Kind auch gern gegangen, sagt mein Vater. Waren nicht deine Sozis massiv daran beteiligt, sagt meine Mutter, dass die Öffnungszeiten so runter gefahren wurden, dass eh kaum keiner mehr hingeht? Außerdem, sag ich, war ich später sowieso viel lieber in Kranichstein. Ja, ja, ich weiß, sagt mein Vater, und die Konzentration auf sozial Schwächere ist für Grün-Schwarz nicht mehr zeitgemäß, steht sogar im Echo.
Jedenfalls war es schön, wechselt diesmal meine Mutter das Thema, dass du mal mit auf der Documenta warst. Mama, sag ich, vor fünf Jahren hatt ich da echt noch kein Bock drauf. Jetzt fand ichs echt gut. Ist ja auch echter Dusel, sagt mein Vater, da ist sie zum ersten Mal auf der Documenta und rastet aus wegen wem? Brad Pitt. Na und, sag ich, ich raffs auch nicht, wie man sich freuen kann, diesen Eichel zu treffen, wer kennt denn den noch? Hallo, sagt meine Mutter, gehts hier um Kunst oder Promis treffen?
Gehts denn nicht immer nur um Sehen und Gesehen werden, sag ich. Wer hat denn rumspekuliert, wer uns in Kassel über den Weg laufen wird, den wir aus Darmstadt kennen? Und in Bayreuth, sagt mein Vater, da interessierten sich doch auch alle nur dafür, dass die Merkel das selbe Kleid anhatte wie 2008. Stimmt schon, sagt meine Mutter, wenn ich nur dran denke, wo sich die lokale Politikprominenz hier überall glaubt zeigen zu müssen. Demnächst wird noch ein Herr Huber im Herrngarten spazieren gehen, sagt mein Vater. Ganz ehrlich: die machen sich doch alle was vor. Dann lieber, sag ich, seine ehrlich Haut im Schwimmbad zeigen, da kann man niemanden was vor machen. Oder noch besser an der Grube, grinst mein Vater. Du warst doch noch nie da, sagt meine Mutter. Was weißt du denn schon, sagt mein Vater. Aha, sag ich, auch ne Variante: Sehen und nicht gesehen werden wollen.