Besinnliche Adventszeit, dass ich nicht lache, sag ich, alle hetzen rum und die Weihnachtsdeko hab ich schon satt. Kann ich verstehen, sagt mein Vater, hängt ja schon seit Mitte November alles voll mit Kugeln. Ja, sagt meine Mutter, früher hatte alles seine Zeit. Aber niemand hat mehr Zeit, sagt mein Vater. Stimmt, sag ich, ich hatte auch noch keine Zeit, mir irgendein Weihnachtsgeschenk auszudenken.
Das Schwierigste ist immer, für euch beide was zu finden, sagt meine Mutter. Ich hätte da ne Idee, sagt mein Vater. Was, frag ich. Udo, sagt mein Vater, kommt im Juli nach Frankfurt ins Stadion. Cool, sag ich. Du würdest mitkommen, fragt er. Logo, sag ich, Udo ist Kult. Der kann doch gar nicht singen, sagt meine Mutter. Macht nix, sag ich. Deine Mutter konnte den nie leiden, sagt mein Vater, ich musste immer alleine hin. Jetzt hast du ja deine Tochter, sagt meine Mutter. Eifersüchtig, frag ich. Phh, sagt meine Mutter, ich frag mich bloß, seit wann du auf den Kultkram deines alten Herrn stehst.
Du hast doch auch deinen Kult, sag ich, ich sag nur: Das Leben des Brian. Find ich wirklich gut, sagt meine Mutter. Aber, sag ich, an Heiligabend Monty Python gucken ist schon sehr straight. Hats dir geschadet, fragt mein Vater. Na ja, sag ich, ich dachte immer, Brian ist der Messias und Jesus nur so ne Randfigur. Für deine Mutter, sagt mein Vater, ist auch nicht Jesus der Messias, sondern Jochen. Hör auf damit, sagt meine Mutter.
Vor meiner Lehrerin war mir das schon ein bisschen peinlich, sag ich, und wir könnten ja dieses Mal zur Abwechslung die richtige Weihnachtsgeschichte lesen. Nein, sagt mein Vater, Kult ist Kult, Silvester ist auch immer Dinner for one. Wenigstens davor, sag ich. So viel Zeit ist nicht, sagt mein Vater. Wir könnten das schon mal ändern, sagt meine Mutter. Ja, ja, sagt mein Vater, Weihnachten mal zeitgemäß, wie wär das denn, wenn Jesus heute geboren würde, guck dich doch mal um. Was meinst du, fragt meine Mutter.
Maria wär doch bestimmt auch so ne durchgeknallte Mutter, sagt mein Vater, die für ihren Frischgeborenen gleich nen Facebook-Account anlegt. Genau, sag ich, und sofort gibts zwei Freundschaftsanfragen. Von wem, fragt meine Mutter. Von Jochen, sagt mein Vater. Nee, sag ich, von Ochs und Esel, und Maria würde posten: Der kleine Jesus ist ganz tapfer, obwohl ihn das Stroh in der Krippe so piekst. Und 77 Engeln gefällt das, sagt mein Vater, und die drei Könige schicken Rosetta los, um Jesus ein paar original Kometensteine zu besorgen. Statt Gold, sag ich. Lieber statt Weihrauch, sagt mein Vater.
Also dann doch die richtige Weihnachtsgeschichte, sagt meine Mutter. Ich sagte schon, sagt mein Vater, zu lang. Ich hab ne Kurzfassung aufgetrieben, sag ich. Woher, fragt mein Vater. Im Web, sag ich. Lies vor, sagt mein Vater. Nee, sag ich, erst Weihnachten. Nein, jetzt, sag meine Mutter, ich will auch wissen, was mich erwartet. Also gut, sag ich:
Josef und Maria quälen
sich nach Bethlehem zum Zählen.
Weib hochschwanger - Wunder bar,
Josef ahnt, dass ers nicht war.
Herbergsplätze überall
ausgebucht, nur Platz im Stall.
Ochs und Esel, Mutter froh,
Kind in Krippe, Heu und Stroh.
Stern scheint hell aufs Stallgebäude,
Engel kündigen vor Freude.
Stoßgebete der verwirrten,
beigeeilten Schaf und Hirten.
Engel sprechen: Fürchtet nicht!
Ist der Heiland, der da liegt.
Hirten loben Gott und preisen,
und sein Sohn soll Jesus heißen.
Erst zum falschen Stall gerannt,
Weisen aus dem Morgenland.
Schenken Weihrauch, Gold und Myrrhe,
führn Herodes in die Irre,
andren Wegs nach Hause ziehn,
Josef und Maria fliehn.
Jesus so in Sicherheit.
Gäb sonst keine Weihnachtszeit.
Gebongt, sagt mein Vater, die Zeit nehmen wir uns, ein bisschen Besinnung muss sein.