So ne Glosse schreiben jeden Monat ist ganz schön Stress. Hat mich die letzte Ferienwoche gekostet. Weil ich sie da schon schreiben musste. Danach, hat meine Muter gesagt, musst du dich auf die Schule konzentrieren. Und was bitte soll ich schreiben, hab ich gefragt. Kind, das ist doch deine Glosse, hat meine Mutter gesagt, das musst du selber wissen. Na klasse.
Meine Oma konnte mir auch nicht wirklich helfen. Dafür hab ich ihr dann im Garten geholfen, Unkraut rausmachen. Was machst du, wenn du Probleme hast, hab ich sie gefragt. Ich gehe in die Kirche, sagt sie. Ist jetzt nicht wirklich die Methode für mich, aber meine Oma wirkt irgendwie zufrieden. Deine Mutter wusste auch nie, was sie beichten soll, sagt sie. Eine Glosse ist keine Beichte, Oma, sag ich. Du musst die Wurzel mit rausziehen, sagt meine Oma, sonst wird das nichts. Ja, Oma, sag ich, und was hast du Mama gesagt? Kind, hab ich gesagt, sagt meine Oma, das ist deine Beichte, das musst du selbst wissen. Aha, daher also.
Mein Vater hat nur mit den Achseln gezuckt. Und mir einen Vortrag gehalten. Dass früher alles besser war. Willy Brandt, der hatte noch Visionen, Helmut Schmidt war ein Macher. Mit Kohl fing die Aussitzerei an. Und Schröder hat nur nach der Quote geguckt. Niemand traut sich mehr was, schon gar nicht die Merkel. Keine klaren Ansagen mehr. Da waren wir früher radikaler: ganz oder gar nicht. Ja, Papa, sag ich, und wahrscheinlich meistens gar nicht.
Radikal ist gar nicht schlecht. An die Wurzel gehen, steht im Duden, sagt ja auch schon meine Oma. Also, ganz oder gar nicht. Entweder die Nordostumgehung richtig, sag ich, und irgendwo bei Roßdorf ab durch den Wald, hinter Kranichstein rum und bei Egelsbach an die Autobahn dran. Die Idee gabs schon mal, sagt mein Vater, das hat die WGD verhindert damals und ist dafür ins Stadtparlament gewählt worden. Eine, sagt er, sitzt heute immer noch fröhlich dort. Also dann gar nicht, sag ich, in 20 Jahren gibts sowieso nur noch Elektroautos oder mit Hybrid. Kein Lärm und keine Abgase mehr.
Auch der Darmbach - ganz oder gar nicht, sagt mein Vater. Und nicht mal hier ein Stück im Herrngarten, da ein kleine Pissrinne vor dem Darmstadtium und dort ne Kunstschlucht am Vivarium. Oder der ICE, sagt meine Mutter, entweder voll durch den Hauptbahnhof oder gar nicht und dafür gescheit getaktete Anbindungen nach Frankfurt, Mannheim und Aschaffenburg. Die Chancen stehen nicht schlecht, meint sie, wo der eine Bypass-Protagonist schon mal weg ist.
Und bei Wahlen, sag ich, ganz oder gar nicht. Diese Jahr ja wohl gar nicht, sagt mein Vater. Aber 2011, sag ich, darf ich bei meiner ersten Wahl gleich zwei mal, Kommunalwahl und OB-Wahl. Drei mal, meint meine Mutter, wegen der Stichwahl. Und jetzt sieh endlich zu, dass du deine Glosse schreibst, bevor die Schule wieder los geht. Und worüber bitte, frag ich. Über ganz oder gar nichts, oder was?