Gleich das Debütalbum „Internashville Urban Hymns“ legte im Jahre 2005 das Fundament für die beeindruckende Karriere von „The BossHoss“. Mit ihrem ganz eigenen Soundamalgam aus Country, Rock und Pop und einem exzellenten Gespür für Hits haben sich die Berliner in den vergangenen zwei Jahrzehnten in die Herzen der Musikfans gespielt und füllen die größten Arenen. Im Oktober sind die Herren live zu Gast in FFM. Im Gepäck: das neue Album „Eletric Horsemen“.
FRIZZmag: Euer Bandname ist dem „Sonics“-Song „Boss Hoss“ von 1965 entlehnt. „The Sonics“ stammen aus Seattle und auch wenn die Band nie den ganz großen Durchbruch geschafft hat, gilt sie für viele Bands als Nukleus cooler Musik härterer Gangart. Bands wie die „Foo Fighters“, „Pearl Jam“ und „Soundgarden“ sind große Fans – eine musikalische Nachbarschaft, die euch entspricht?
Alec Völkel: Eigentlich schon. Man muss ja hier auch die musikalische Herkunft von Sascha und mir betrachten, denn „BossHoss“ ist ja eine Idee von zwei Jungs, die aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen kommen. Die Ursprungsidee, bekannte Songs in einem neuen Countrysound zu interpretieren, hat uns geeint. Aber Sascha steht mehr auf diesen 60s-Garage-Sound, wohingegen ich mehr aus dem Metal- und Alternative-Bereich komme. Aber „The Sonics“ ist eine Band, die wir beide schon immer extrem abgefeiert haben. Die waren ihrer Zeit sehr weit voraus. Ich würde sogar sagen: Ohne „The Sonics“ hätte es keinen Punk gegeben. Hör dir nur mal „The Hives“ an – die klingen total nach den „Sonics“. Dass die nie die entsprechende Huldigung erfahren haben, ist total schade.
Im Gegenzug zu „The Sonics“, die aufgrund interner Differenzen und mangels Erfolgs bereits 1968 wieder auseinanderbrachen und wieder Brot-und-Butter-Jobs nachgehen mussten, hatten „The BossHoss“ direkt nach der Gründung einen Lauf und auf Anhieb großen Erfolg. Hättet ihr 2004 geglaubt, dass euch die Musik so ein Riesentor aufmachen würde?
Nein, niemals! So weit voraus haben wir eh nicht zu denken gewagt. „The BossHoss“ ist eigentlich aus einer Bierlaune heraus entstanden. Wir haben die Band nicht aus dem Antrieb heraus gestartet, dass das eine supertolle Idee ist, die wahnsinnig erfolgreich sein wird. Im Gegenteil: Jeder zweite, dem wir begegnet sind, meinte: „Country in Deutschland? Ist doch total absurd, das wird gar nicht funktionieren!“ Als wir dann aber gemerkt haben, dass wir mit unserer Idee irgendwie doch einen Nerv getroffen haben, dachten wir uns zunächst auch nur: „Komm, lass uns den Erfolg mitnehmen, läuft gerade gut und macht tierisch Spaß! Wer weiß, wie lange das so läuft?!“ Wir waren recht sicher, dass die Sache jetzt mal ein Jahr lang einen Run hat und sich danach wieder verlaufen würde. Also haben wir so viele Gigs wie möglich gespielt und die Zeit genossen. Aber dass das zehn oder zwanzig Jahre laufen könnte? Um Gottes Willen! Hätten wir damals nie gedacht!
Euer musikalisches Markenzeichen war zunächst die Interpretation bekannter Hits wie „Hey Ya“ von „Outkast“ im Country-Gewand. Bereits seit dem zweiten Album „Rodeo Radio“ (2006) und spätestens seit „Stallion Battalion“ (2007) hat dein Bandpartner Sascha „Hoss Power“ das Songwriting komplett selbst in die Hand genommen. Künstlerisch verständlich, aber ich könnte mir vorstellen, dass das Label über die eigenen Songwriting-Ambitionen wenig begeistert war. Motto: „never change a running system“. Wie hat sich das für euch angefühlt, das sichere Terrain bekannter Melodien zu verlassen?
Es war uns schnell klar, dass wir diesen Schritt gehen mussten. So eine eingespielte Sache laufen zu haben, ist natürlich erst mal super, das kennt man ja auch noch von „Dick Brave“ oder „The Baseballs“. Solche Sachen werden immer total abgefeiert und ich finde das auch total geil, weil das immer ein Novum ist. Aber das kannst du nicht lange machen. Das hält maximal für zwei Alben und dann ist der Drops gelutscht. Dann holt das keinen mehr ab. Auch für uns war das so, auch vom Machen her. Du machst eine Platte mit fremden Hits und ab der zweiten sitzt du da und dir fehlt die Leichtigkeit. Man fängt an zu überlegen, welche bekannten Songs man noch nehmen könnte. Dann merkt man schnell: Wenn’s anfängt, verbissen zu werden, ist das nicht mehr so gut. Aber wir hatten ja vorher schon in Bands gespielt und Songsschreiben war schon immer Teil unseres Handwerks. Den „BossHoss“-Sound hatten wir definiert und behalten, doch ab dem zweiten Album gab’s dann immer mehr Songs aus unserer Feder. Glücklicherweise hat das gut hingehauen, denn von dem Cover-Ding muss man sich einfach trennen irgendwann.
2014 habt ihr euer eigenes Studio „Internashville“ in Berlin gegründet und kümmert euch von der Produktion bis zur Covergestaltung um alles selbst. Wie wichtig ist euch eure Selbstständigkeit? Hat diese primär wirtschaftliche Gründe oder resultiert eure „DIY“-Haltung auch ein Stück weit aus eurer „Garage-DNA“?
Wir sind halt zwei, die gerne die Zügel in der Hand behalten. Wenn du Sachen zu 100 % authentisch machen möchtest und so umsetzen möchtest, wie du sie fühlst, musst du sie eben selbst machen. Man kann sicher auch einiges an andere übertragen, wir haben ja auch ein Team und machen nicht alles komplett alleine. Aber wir haben „Internashville“ zu einem Zeitpunkt gegründet, an dem wir bereits zehn Jahre mit externen Managern unterwegs gewesen sind, auch mal mit negativen Erfahrungen – die gehören auch dazu –, und haben einfach festgestellt, dass wir über die Jahre gelernt haben, wie das Business läuft. Wie funktioniert die Promo, wenn man ein Album veröffentlicht? Wie organisiert man eine Tour? Das ist ja alles kein Hexenwerk. Also haben wir uns da auf unser Bauchgefühl verlassen, uns zwei Mitarbeiter ins Boot geholt und unser eigenes Management gegründet. Und das funktioniert seither sehr gut. Auch wenn’s sehr arbeitsintensiv ist und ich manchmal denke „war eine Scheißidee!“ (lacht).
Seit 2011 seid ihr auch als TV-Persönlichkeiten bekannt, so zum Beispiel als Juroren der Castingshow „The Voice of Germany“ oder auch als Hosts von „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“. Welchen Einfluss hatte dieses andere Medium auf eure Popularität? Thema: „Nicht mehr einkaufen gehen können.“
Der Erfolg hat uns schon überrascht. Als uns die Anfrage zu „The Voice of Germany“ damals erreicht hat, waren wir ja noch ein recht unbeschriebenes Blatt. Wir hatten zwar schon die ersten Alben draußen und waren gut am Start, aber noch nicht so Mainstream, dass alle wussten, wer die zwei Typen da im Fernsehen sind. Für uns war das auf jeden Fall ein guter Schritt, auch wenn wir zunächst mit dem Format gehadert hatten, weil „Castingshow“ für Musiker, die es ernst meinen – und so sehen wir uns –, erst mal einen ziemlich uncoolen Touch hat. Als wir dann aber die ursprünglichen Shows aus Holland gesehen hatten und wir das Format in der Form gut fanden, dachten wir uns „Let’s try!“ Dass wir dann so viele Leute erreichen konnten, war natürlich mega! Aber klar, dadurch wurden wir auch als Persönlichkeiten eine ganze Spur prominenter, was aber nicht negativ ins Gewicht fällt, weil wir’s auch nicht übertreiben. Wir gehen nicht auf jede TV-Hochzeit oder in jede Talkshow, sondern schauen, dass wir uns auf Formate beschränken, die auch primär mit Musik zu tun haben.
Fangfrage: Sind Musiktalentshows und Formate wie „Sing meinen Song“ eurer Meinung nach wirklich Pushs für die Karriere oder eher Strohfeuer? Dass selbst brutale mediale TV-Präsenz nicht zwingend auch viele Tickets verkauft – da gibt’s diverse Beispiele für.
Ja, da hat sich viel verändert. Wir reden hier seit unserem Einstieg in die TV-Welt über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Bei uns hat sich damals alles quasi verdoppelt, weil die Shows auch „The BossHoss“ einen deutlichen Schub gegeben haben. Wenn du damals einen Song im Fernsehen gespielt hast, konntest du danach direkt bei „Amazon“ sehen, wie dort deine Verkaufsrankings nach oben gingen. Heute geht da gar nichts mehr. Das liegt meiner Meinung nach vor allem an dieser totalen medialen Sattheit der Menschen. Die Leute können nicht mal ansatzweise das aufnehmen, was ihnen über Social Media und Co. dauernd angeboten wird. Da gibt’s nur noch eine ganz oberflächliche Wahrnehmung. Und für junge Nachwuchs-Acts ist TV auch nicht mehr so das Karrieresprungbrett. Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass eine Sendung bzw. eine Staffel dauernd die andere jagt. Gerade hat das eine Talent gewonnen, da kommt schon die nächste Show mit neuen Acts um die Ecke. Die haben gar nicht mehr Zeit, zu wirken. Diese Shows können aber immer noch ein guter Ort sein, um sich zumindest in Sachen Social-Media-Follower ein bisschen was aufzubauen und herauszufinden, ob das Business überhaupt was für einen ist, denn diese Sendungen sind schon auch Stress und geben einen Einblick, wie es mal laufen könnte. In den Medien zu sein ist halt nicht mehr Kinderzimmer und „YouTube“-Kanal. Offen gesagt: Ich möchte heute nicht noch einmal anfangen müssen.
Im Mai erschien euer neues Album „Electric Horsemen“, das eure Country-Songs mit synthetischen Sounds und einem gewissen „Vegas-Glam“ garniert. Erzählt mal was über die neuen Songs.
Wir versuchen natürlich immer kreativ in Bewegung zu bleiben und probieren für jedes Album neue Sachen aus. Es muss sich immer weiter entwickeln, Wiederholungen sind nicht unser Ding. Diesmal haben wir etwas mehr Synths in unsere Musik gepackt, ich bin aber überrascht, dass das in Interviews immer wieder so viel Raum einnimmt. Das wird wahrscheinlich mit dem Albumtitel assoziiert. Aber es heißt ja nicht „Electronic Horsemen“, sondern „Electric“ und dieses „Electric“ bezieht sich generell auf die Energie und die Power in der Musik. Wir sind ja nicht die erste Band, die mal ein paar Synthie-Sounds in ihre Songs nimmt. Wir wollten das einfach mal ausprobieren und sind mit dem Ergebnis durchaus happy. Trotzdem haben wir darauf geachtet, dass wir uns vom Sound her grundsätzlich treu geblieben sind. Mal schauen, in welche Richtung es beim nächsten Album geht.
2024 geht’s ins Jubiläumsjahr – 20 Jahre „The BossHoss“! Schaut man sich die Stationen eurer Karriere an, wirkt ihr wie Getriebene: in den ersten Jahren jedes Jahr eine neue Platte, danach immerhin stetig im Zwei-Jahres-Rhythmus ein neues Album, dazu TV, die großen Tourneen, soziales Engagement ... Die Pandemie scheint gezwungenermaßen die einzig längere Pause gewesen zu sein. Wie sehen die nächsten zwei Jahrzehnte aus? Gleicher Output, gleiches Tempo?
Ein bisschen ruhiger sind wir mit den Jahren schon geworden, finde ich. Am Anfang waren wir halt Feuer und Flamme. Wir waren ja damals, als es mit der Band losging, schon Anfang dreißig und das hat sich wie ein zweiter Frühling für uns angefühlt. Also haben wir die Chance genutzt und Vollgas gegeben! Und du hast Recht: Das war dann die ersten Jahre ein ziemlich hartes Pensum. Die Pandemie hat das dann mal ausgebremst und rückblickend würde ich sagen, dass uns das ganz gut getan hat. Aber Musik ist halt unsere Leidenschaft und wenn wir mal ein Vierteljahr nix machen, werden wir nervös und wollen wieder loslegen. Von daher wird es bis zum nächsten Album sicher nicht noch mal vier Jahre dauern. Aber ein bisschen genießen darf man zwischendurch auch. Also gehen wir die nächste Platte ohne Stress an. Die Muse küsst dich ja nicht jeden Tag und manchmal heißt es einfach „abwarten“.
Vielen Dank für das Gespräch.
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FRIZZmag präsentiert: „The BossHoss“ live
Fr., 20.10., 19:30 Uhr, Jahrhunderthalle, Frankfurt
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Betreff: „The BossHoss“
Einsendeschluss: 15.10.2023
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