Denkt euch, ich habe die Merkel gesehn,
sie stand im Darmstadtium, auch ich blieb gleich stehn
und kaute versonnen mein Fliesmützenzipfel.
Die Merkel in Darmstadt, das ist doch der Gipfel!?
Nein, ich bin nicht durchgeknallt. Das machen wir gerade in der Schule. An meinem, sagt mein Vater, an meinem Fliesmützenzipfel, Dativ. Metrik geht vor Grammatik, sag ich, und er ist baff. Hab ich gelernt im Lyrikkurs. Macht Spaß, ist nicht so dröge wie sonst. Mit einem echten Dichter. „Schule kreativ“ nennt sich das, gibt es aber bald nicht mehr, weil die Stadt das Geld halbieren will. Dabei ist es echt cool. Wir machen gerade Weihnachtspersiflagen. Berühmte Weihnachtsgedichte auf Politik umdichten, erklär ich meinem Vater. Und meiner Mutter. Und meiner Oma, weil sie gerade zu Besuch ist. Das findet meine Mutter total gut, und sie dichtet spontan:
Lieber guter Weihnachtsmann,
kommst du mal nach Darmstadt, dann
stopfe unser Haushaltloch,
niemand anders kann das noch.
Alle Achtung, sagt mein Vater, und meine Oma sagt, dass hat sie von ihrem Großvater.
Schick im Sommer Eis und Schnee,
aber bloß nicht den RP,
reimt mein Vater weiter. Und ich weiß auch, wie wir das Gedicht nennen: Weihnachtswünsche des Magistrats.
Morgen Kinder wirds nichts geben, fängt jetzt meine Oma an, aber ich sag ihr sofort, dass das geklaut ist. Ist schon Erich Kästner drauf gekommen, sag ich, es heißt „Weihnachtslied, chemisch gereinigt“. Scheint so, dass Schule auch Spaß machen kann, sagt mein Vater, und diesmal hat er recht. Motiviert meine ganze Familie, besonders meine Mutter.
Die Umgehung wirds nicht geben,
weil der Bürgerwille zählt.
Hoffmann wird es nicht erleben,
dass der ICE hier hält.
Meine Mutter hats echt drauf. Schade, dass ich mich an meinen Uropa nicht mehr erinnern kann. Du kannst dich aber noch an dein Lieblingsweihnachtsgedicht erinnern, fragt meine Mutter. Klar, sag ich: Ich wünsche mir zum heiligen Christ ... – ... eine Brille, die nicht so, wie die von Thorsten Schäfer-Gümbel ist, reimt mein Vater weiter. Eine Oma, die nie ihre Brille vermisst, heißt das im Original, sagt meine Oma, und freut sich, aber die Brille ist wirklich unmöglich. Unmögliches Versmaß, meint meine Mutter und lacht. So lustig war es bei uns schon lange nicht mehr. Und mein Vater legt richtig los:
Und kam die goldene Weihnachtszeit,
die Wahlkampfplakate, sie leuchteten weit,
und droben aus dem Himmelstor
sah mit großen Augen das Christkind hervor.
Es sprach, bevor sich’s schnell wieder verkroch:
Hier regiert ja noch immer der Roland Koch.
Nicht schlecht, sag ich, und meine Mutter sagt was von einer theodoresken Mischung aus Herr von Ribbeck und Knecht Ruprecht. Und das die SPD die Synthese aus Herr und Knecht niemals hinkriegen wird. Und bevor es wieder Streit gibt, was schlimmer ist, Metzger oder Ypsilanti, einigen wir uns ganz schnell drauf, dass es doch ganz lustig wäre, wenn am 18. Januar niemand über 5% kriegt. Schließlich ist Weihnachten ein Fest des Friedens und der Familie.